"Der Schwarm" und die Jagd nach dem perfekten Buch
Verfasst von Peter J. Dobrovka
Datum: 20. Juli 2005
 
Ich bin ich der glücklichen Lage, daß mein persönlicher Geschmack sehr massenkompatibel ist, Mainstream sozusagen. Insofern bin ich sowohl mit dem Schreiben als auch mit dem Verlegen auf der sicheren Seite, wenn ich mich ganz einfach für das entscheide, was mir persönlich gefällt.
Jetzt werden mich viele sicher für einen stinklangweiligen Kerl halten, drum kommt eine kleine Einschränkung: Ich bin zugleich auch ein ewiger Nörgler, und ich bin ein Perfektionist. Es gibt kaum einen Film oder ein Buch, wo ich kein Haar in der Suppe finde. Schlamperei in Details, Unlogik, Häufung von Klischees und Deus-ex-machina-Lösungen.

Der Schwarm von Frank Schätzing gehört zu den wenigen Büchern in meinem Leben, die so sehr auf meiner Wellenlänge liegen, daß ich mich fast schon über sie ärgere. Ich ärgere mich darüber, dieses Buch nicht selbst geschrieben zu haben.
Die Erzählweise ist konkret, es sind hochinteressante naturwissenschaftliche, historische und soziale Fakten fließend in die Handlung eingebettet, die Charaktere sind dreidimensional, es gibt einen übergreifenden Spannungsbogen und auch Action findet sich in mehr als nur homöopathischer Dosierung.
Selbstverständlich hätte ich es verlegt.
Es gibt nur drei Kleinigkeiten, die ich anders gemacht hätte, bzw. wo ich vom Autor Änderungen verlangt hätte:
  • Die 150 Seiten, wo der eine Prot. seinen Eskimo-Onkel besucht, hätte ich gestrichen. Bei ca. 1000 Seiten tatsächlich nur eine Kleinigkeit, hehe.
  • Die Ami-Generälin erweist sich zum Ende hin als durchgeknallter Psychopath, das hätte ich vermieden, ist für die Story auch absolut nicht notwendig.
  • Es gibt zuviel ökological correctness im Buch, was dann im etwas unrealistischen Schluß gipfelt: Es hätte eine Möglichkeit gegeben, die Bedrohung zu eliminieren, und meiner Ansicht nach wurde diese Möglichkeit unnötig verschenkt.
Warum schreibe ich das?
Unser Ziel ist das perfekte Buch. Obgleich wir dieses Ziel nur aller-allerhöchstens im subjektiven Rahmen erreichen können, also ein Buch zu produzieren, das in UNSEREN Augen perfekt ist, so steht doch immerhin keine Strafe darauf, es immer wieder zu versuchen, hehe. Es wäre schön, wenn Perfektionismus tatsächlich immer nur Perfektion hervorbringen würde, aber so ist es leider nicht.
Qualität ist natürlich kein reiner Selbstzweck, sie ist überlebenswichtig. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Geschäftsführer hatte ich gedacht, ich müsse versuchen, alles so zu machen wie Bastei und Heyne, so daß wenn Bücher des Eldur Verlags daneben stehen, der Käufer keinen Unterschied sieht.
Schwerer Irrtum!
Wir müssen - so größenwahnsinnig es klingt - versuchen, es BESSER zu machen!
Der Markt ist weitestgehend vom Big Business abgedeckt, Chancen für Mikroben wie den Eldur Verlag bestehen nur dann, wenn sie ihre ökologische Nische finden. Wir müssen das Besondere bieten. Alles, was wir verlegen, muß ein potentieller Bestseller sein, vor Genialität triefen und süchtig machen. Nur kein Mittelmaß. Mittelmaß dürfen sich die großen Publikumsverlage mit ihrer geölten Vertriebsschiene leisten, wo 3000 verkaufte Exemplare schon als Flop gelten. Wir hingegen wirtschaften am Rande der Rentabilität und können uns Flops nicht leisten.
Was ich am meisten hasse, ist es, wenn ich in meiner Eigenschaft als Lektor an diesem Anspruch scheitere. Jeder einzelne Rechtschreibfehler, der erst NACH dem Druck entdeckt wird, ist ein Schuß ins Herz. Und ein Schuß in den Kopf waren einige der Cover des Jahres 2004. Und der Fehler mit Walter im blauen Portal war die Atombombe. Winzigkeiten, von den meisten Lesern nicht mal unbewußt wahrgenommen, aber ich könnte meinen Kopf gegen die Wand schmettern.
Nun gut, ich bleibe dran ...
 
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