Letztes Update, 11.11.2012, 14:00 Uhr. |
Sprache scheint etwas Einfaches zu sein. Immerhin gebrauchen wir sie alle täglich. Allerdings nicht, um andere mit längeren zusammenhängenden Geschichten zu unterhalten. Das ist eine Kunstform für sich und vom täglichen Sprachgebrauch so weit entfernt wie eine Opernarie vom Summen in der Badewanne.
Wenn ein ungeübter Autor seine Gedanken niederschreibt, ist das Ergebnis meist für die Tonne. Ich rede nicht von Rechtschreibfehlern, die macht jeder und es gibt durchaus Legastheniker, die gute Bücher schreiben. Grammatikfehler dito. Und wer nicht richtig Deutsch kann biete eigentlich auch kein Manuskript an.
Entscheidend sind Inhalt und Stil.
Stil ist ein schwammiger, schwer zu fassender Begriff; eine ausführliche Abhandlung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Begnügen wir uns an dieser Stelle mit Beispielen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Stilblüten sind unpassende Formulierungen. Meist sind sie komisch, aber nicht beabsichtigerweise. Beispiele dafür sind:
Queen Victorias Periode dauerte mehrere Jahrzehnte
Der große Kronleuchter im Ballsaal strahlte die Nacht hinfort wie tausend Glühwürmchen
Als der Dieb der Prinzessin das Juwel geraubt hatte, verflüchtigte er sich.
Zuviele oder zuwenige Adjektive hängen ab von der Zielgruppe. Die unsere bevorzugt einen sparsamen Umgang. Ein typischer Ausschnitt aus einem Romanheftchen verdeutlicht das Gegenteil:
Es war ein dunkler Abend und ein windiger Sturm erhob sich über dem blauen Meer. Das zweifamilienhausgroße Schiff trotzte dem furchtbaren Sturm während faustgroßer Hagel vom wolkenbedeckten, unheilschwangerem Himmel fiel.
Sollten wir so ein Manuskript jemals annehmen, würde unser Lektorat das hier daraus machen:
Am Abend erhob sich ein Sturm über dem Meer. Das zweifamilienhausgroße Schiff trotzte dem Wind, während faustgroßer Hagel auf das Deck einhämmerte.
Mißbrauch von Bildern zum Aufbau von Atmosphäre ist ebenfalls sehr häufig. Siehe z.B. den "unheilsschwangeren Himmel" oben. Das ist billig und der Leser merkt das.
Detailversessenheit ist auch ein häufiger Fehler. Entweder in Form zu detaillierter Beschreibungen des Settings oder zu detaillierter Beschreibungen von Aktionen ("er kratzte sich mit dem linken Zeigefinger am stoppelbärtigen Kinn und legte das linke Bein über das rechte")
Verwaschenheit haben wir, wenn der Autor keine Lust hatte, sich Dinge auszudenken und stattdessen irgendwelche allgemeinen nichtssagenden Formulierungen verwendet, um die Lücke zu füllen:
Er hatte seinen Job recht schnell durch zwar mutige und wahre aber nichtsdestotrotz unbedachte Äußerungen verloren.
Lieb- und leblos. Hier eine Verbesserung:
Er hatte damals als einziger gewagt, dem Chef ins Gesicht zu sagen, daß der Betriebsrat lediglich ein Marionettentheater war, das die Arbeiter ruhigstellen sollte. Die Kollegen applaudierten, sein Chef feuerte ihn.
Es ist nicht grundsätzlich peinlich für den Autor, wenn er in seinen Text Dinge schreibt, die falsch sind. Peinlich ist es erst, wenn ihn die Leser dabei erwischen. Daß es zur Römerzeit noch keine Geigen gab, hat dem Klischee des wahnsinnigen Kaisers, der zum brennenden Rom auf der Geige spielte, keinen Abbruch getan. Kürzlich jedoch erschien ein Buch eines namhaften Autors, das im Mittelalter spielt, jedoch die Hauptperson Pfeiferaucher ist. Dabei waren Tabak und Rauchen vor der Entdeckung Amerikas in Europa unbekannt.
Recherche ist jedoch mehr, als nur Schulwissen-Fehler zu vermeiden. Recherche ist, sich vor dem Verfassen einer Geschichte über Hintergründe zu informieren. Über Gebräuche des Landes, in dem das Setting spielen soll, oder den Stand der Wissenschaft im Falle irgendwelcher technologischer Ideen. Viele Autoren wissen nicht, daß Leser bisweilen großes Vergnügen an Fakten haben. Es ist überhaupt nicht falsch, insbesondere in exotischen oder historischen Szenen, ein wenig Fachwissen einzustreuen. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert, wenn man als Autor seine mühsam erarbeiteten Rechercheergebnisse restlos verwerten will und so ins seitenlange trockene Dozieren verfällt. Ein J.F. Cooper durfte vor 100 Jahren noch zwei Seiten in seinem Roman zur Beschreibung einer Blockhütte in den Rocky Mountains verwenden, weil in Europa so etwas keiner kannte. Heute würde er dafür gesteinigt.
Der Fachbegriff für Unlogik in einer Geschichte heißt "Plothole", also ein Loch in der Handlung. Davon gibt es vor allem in Filmen eine Menge, und das liegt daran, daß Leser weniger nachsichtig sind als Zuschauer.
Beispiele gibt es viele, und es muß nicht so krass sein wie die Person, die auf Seite 23 stirbt und auf Seite 221 wieder auftaucht, weil der Autor an einer Frühform von Alzheimer leidet. Wenn zum Beispiel der verschlüsselte Hinweis eines Mörders geknackt wird, und die Polizei daraus schließt, daß er gerade in dem Augenblick der Entschlüsselung sich an einem bestimmten Ort aufhält, um dort jemanden zu töten und gleich 1000 Polizeiautos da hinschickt plus Hubschrauber. Oder wenn jemand für einen gefährlichen Auftrag einen Scheck in Millionenhöhe annimmt, ohne nachzuprüfen, ob er gedeckt ist. Oder jemand nur eine Tür zu öffnen bräuchte, um das Rätsel zu lösen, es aber nicht tut - weil dann auch das Buch zu Ende sein müßte. Oder wenn eine Gruppe von 10 Leuten auf einer Expedition nur ein einziges Handy dabeihat, damit dass dann kaputtgehen kann und sie von der Außenwelt abgeschnitten sind.
Solche Patzer können auch dem besten Autor passieren. Sie aufzuspüren und die Verbesserung zu verlangen ist dann die Aufgabe des Lektors. Wenn Plotholes dennoch mal verbleiben, liegt es nicht allein daran, daß es nun mal menschlich ist, Fehler zu machen. Eventuell wird ihre Dringlichkeit auch einfach nicht sehr hoch eingestuft.
Bei uns können Sie davon ausgehen, daß wenn wir Unlogik in einem Manuskript entdecken, wir sie nicht unbehoben lassen werden.
Teilweise hängt dieser Punkt eng mit dem vorhergehenden zusammen. Unglaubwürdig sind Romanfiguren, die sich unlogisch verhalten, allemal.
Dann gibt es aber noch diejenigen Figuren, die "innerlich unlogisch" sind. Im weitesten Sinne ist James Bond so einer: Der Mann kann alles, weiß alles, kriegt jede Frau rum und rettet laufend die Welt. Aber Bond ist auch nicht als bierernster Thriller zu verstehen. Unschön ist eher, wenn jemand Dinge tut, daß man ihm am liebsten zurufen würde: "Nein, tu's nicht!" Klassisches Beispiel: Der Wissenschaftler, der im Raum mit den mutierten Monstern mal nach dem Rechten sehen will, weil eine der Überwachungskameras ausgefallen ist. Oder der Mann, der alte Hieroglyphen in seinem Garten findet und zufällig als Hobby Ägyptologie betreibt. Oder wenn jemand nach einer Ausbildung bei irgendwelchen Buddha-Mönchen Kugeln ausweichen und eine Fliege mit dem Schwert in der Luft zerteilen kann. Sowas ist bei uns alles Pfui-pfui.
Spannung zu erzeugen ist eigentlich keine große Kunst, und auch kein wohl gehütetes Geheimnis. Man muß lediglich eine Situation mit ungewissem Ausgang erzeugen, wobei dieser Ausgang jedoch wichtig ist für den Leser. Klassischerweise die Gefahrensituation, welcher der Held entkommen muß. Allerdings muß der Ausgang wirklich ungewiß sein, weil im Falle von Superman oder James Bond jedes Kind weiß, wer am Ende gewinnt. Die sind interessant, weil man wissen will, WIE sie das Problem lösen.
Auch greifen Autoren gerne vor und erwähnen in einem kurzen Satz den (meist negativen) Ausgang einer Situation. Sie wollen damit die Spannung erhöhen, killen sie jedoch.
Nicht zu vergessen: Die Situation muß wichtig sein. Tausend Leute auf drei Seiten abzuschlachten ist langweilig, weil diese Leute dem Leser egal sind. Auch ist das Schicksal der "Welt" oder der "Demokratie" oder von "Millionen Unschuldigen" nichts, was den Leser bewegt. Interessant sind grundsätzlich nur Schicksale von Einzelpersonen oder überschaubaren Gruppen.
Spannung muß nicht unbedingt mit Gewalt verbunden sein. Wenn jemand, den der Leser sympathisch findet, es zum Beispiel einfädelt, sein Geld mit einem Aktientrick zu vermehren, aber ein kleines Risiko zurückbleibt, daß die Sache schiefgeht, ist das auch spannend. Zumindest kann der Autor es spannend erzählen.
Wobei Spannung nicht gleich Unterhaltung ist. Es gibt genug Bücher, die sind kein bißchen spannend, aber dennoch lesenswert. Es gibt außer der Spannung eben noch andere Unterhaltungskonzepte: Faszination, Sex, Humor, Nostalgie ... |