Literaturverbrechen.org
Verfasst von Peter J. Dobrovka
Datum: 29.8.2006
 
Daß man im Internet bizarren Scheiß aller Art finden kann, ist nichts Neues. Im Bereich des Literaturbetriebes allerdings ist das schon ein wenig seltener. Und wenn man die Hintergründe nicht kennt, erschließt sich einem der Sinn nicht. So auch bei dieser Webseite:
http://www.literaturverbrechen.org/
"Die Infoseite über Gauner, Betrüger, selbsternannte Zensoren und andere dubiose Figuren des Literaturmarktes", so der Untertitel.
Die Webseite besteht im Prinzip aus nichts anderem als einer kleinen schmutzigen Haßtirade gegen einen gewissen Robert Herbig, der dort als "Heuchler des Monats" geehrt wird. Mal sehen, ob im Laufe der Zeit noch mehr Leuten diese Ehre zuteil wird. Auf jeden Fall schreibt der anonyme Verfasser über Herbig dieses: "Bei Robert Herbig handelt es sich um einen Faulenzer, der mit 49 Lebensjahren gern zu Hause sitzt und lieber seine Frau als Verkäuferin ins Schuhgeschäft schickt, um zur Sozialhilfe dazuzuverdienen."
Einen Verfassernamen oder ein Impressum sucht man vergeblich. Als wie seriös eine Webseite einzustufen ist, die aus dem Schutz der Anonymität persönliche Beleidigungen verspritzt, muß ich wohl nicht erklären, oder?
So, Sie fragen sich nun sicher, warum ich mich mit diesem Mumpitz abgebe und warum das für Sie interessant sein könnte. Das will ich gerne erläutern.

Die "Verbrechen" des Herrn Herbig, welche auf der Webseite nur nebulös angedeutet werden, bestehen im Wesentlichen darin, daß er auf seiner Webseite einen Druckkostenzuschußverlag-kritischen Artikel veröffentlicht hat. Er war nicht selbst der Autor, er hat nur seine Plattform zur Verfügung gestellt, aber als Webseitenbetreiber trägt er natürlich die Verantwortung.
Der Artikel ist downzuloaden hier.
Die Frankfurter Verlagsgruppe wurde auf diesen Artikel aufmerksam und erwirkte eine gerichtliche einstweilige Verfügung dagegen. Aus diesem Grund möchte ich für alle weniger intelligenten Mitbürger ausdrücklich betonen, daß es sich bei der downloadbaren Datei nicht um einen redaktionellen Beitrag dieser Webseite handelt, sondern lediglich um eine Illustration dessen, wovon die Rede ist.
Die problematischen Textstellen des Artikels waren die folgenden:
    Größere Verlage, die ihre Autoren bezahlen und nicht zur Kasse bitten, betrachten eine vorherige Veröffentlichung über einen Zuschußverlag nämlich nicht als Referenz, sondern viel mehr als das genaue Gegenteil davon. Sie nehmen solche Autoren nicht ernst. Die Chance auf eine Veröffentlichung ist damit noch geringer als zuvor.

Das Problem mit dieser Aussage ist, daß es sich um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung handelt, bei der zur Widerlegung ein einziger richtiger Verlag ausreicht, der erklärt, daß er Autoren, die in Zuschußverlagen veröffentlicht haben, durchaus ernst nimmt.
Von der Tendenz her ist die Behauptung nicht ganz von der Hand zu weisen. Wie in unserem Artikel über Druckkostenzuschußverlage beschrieben, ist eine Veröffentlichung bei einem Zuschußverlag nichts weiter als die Inanspruchnahme einer Dienstleistung, einer in der Regel überteuerten noch dazu. Sie sagt nichts aber auch rein gar nichts darüber aus, wie die Veröffentlichungschancen bei einem richtigen Verlag gewesen wären. Und wenn der Autor das stolz in seine Liste der Veröffentlichungen packt, bedeutet das eigentlich, daß er sich darüber gar nicht klar ist, oder? Unintelligente Menschen aber schreiben meistens keine guten Bücher, zumindest traut man es ihnen nicht unbedingt zu. Ich jedenfalls nicht. Sie etwa?
Es ist daher sicher nicht falsch, Ihnen den Rat zu geben, mit "Veröffentlichungen" bei Zuschussverlagen nicht anzugeben, wenn Sie vorhaben, eine richtige Schriftstellerkarriere einzuschlagen.
Kommen wir zum nächsten Problempunkt:
    Zum anderen genießen die Produkte von Zuschußverlagen mangels qualifiziertem Lektorat auch über keinen guten Ruf - erfahrene Buchhändler lehnen solche Bücher deshalb prinzipiell ab.
Vom Grammatikfehler mal abgesehen steckt auch hier eine unnötige Verabsolutisierung drin. Es genügt ein einziger erfahrener Buchhändler, um diese Aussage zu Fall zu bringen. Wobei auch hier tendenziell nicht die Unwahrheit gesprochen wird. Ich habe noch nie ein Buch aus einem Zuschußverlag in einer Buchhandlung ausliegen sehen. Natürlich sehe ich nicht alles, aber die Bücher von Kleinverlagen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, die sehe ich ab und an wenigstens.
Wo ich mit der Aussage ein Problem habe ist dieses verwaschene "mangels qualifiziertem Lektorat". Da ein Zuschußverlag ja nicht vom Bücherverkaufen lebt, kann theoretisch auf jegliches Lektorat verzichtet werden, und auch das beste Lektorat macht aus schlechten Texten keine guten. Der Grund, warum viele Buchhändler Zuschußverlagen skeptisch gegenüberstehen, hat nichts mit deren Lektorat zu tun, sondern schlicht und ergreifend damit, daß man nicht erwartet, in einem Sortiment, in dem jeder Hinz und Kunz seinen Unfug gegen Geld gedruckt kriegt, ein brauchbares Buch vorzufinden.
Na ja, und dann noch dieses hier:
    Die Feuilletons der großen Zeitungen werden jedenfalls nie auf die Idee kommen, ein Buch, das über einen Zuschußverlag veröffentlicht wurde, zu rezensieren.
Sag niemals nie, hehe. Ein einziger Feuilleton-Artikel über ein Zuschussverlags-Buch reicht aus, um diese Aussage zur unwahren Tatsachenbehauptung werden zu lassen.
Und die Feuilletonisten sind eh komische Wesen, ich glaube nicht wirklich, daß die ein Zuschußverlagsbuch erkennen, wenn sie es zur Rezension geschickt bekommen. Viel wichtiger ist da schon, daß es nach was aussieht und natürlich ein Hardcover ist. Ja, ich bin wieder frech, ich weiß.

Nun ja, auf jeden Fall hat die Frankfurter Verlagsgruppe, ein sehr großer Zuschussverlag, gegen den Artikel eine einstweilige Verfügung erwirkt. Witzigerweise muß man dem Gericht sogar eine gewisse Fairneß zugestehen, denn die Verfügung wird zurückgenommen, wenn der Beklagte eidesstattliche Erklärungen von Verlagen und Buchhändlern vorlegen kann, die die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen stützen.

Man fragt sich nun, was diese Literaturverbrecher-Webseite soll. Nun, ganz anonym ist sie ja nicht. www.nic.com gibt bereitwillig Auskunft, wer hinter der Domain steckt, es ist ein gewisser Chico Francesco aus London. Der wiederum ist Geschäftsführer einer Citrus Tree Gesellschaft und die hat dieselbe Adresse wie die World Writers Association, einer Plattform für Druckkostenzuschußverlage, die mit der Frankfurter Verlagsgruppe verbandelt ist. Laut autorenhaus.de ist Herr Francesco ein Freund des Geschäftsführers der Frankfurter Verlagsgruppe.
Ja, ja, die Welt ist klein.
Aber ist der Ruf erst mal ruiniert ...
 
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